Konzert

Der Kitt der Gesellschaft

Michi Beck und Smudo von den Fanta4 im Interview

Seit dem 27. April steht „Captain Fantastic“, das zehnte Studioalbum der Fantastischen Vier, in den Plattenläden. Grund genug, die neuen Songs bei mehreren Open Airs zu präsentieren, so auch am 23.06. in St. Wendel. Vorher standen Smudo und Michi Beck im Interview Rede und Antwort.

Ihr habt eure Album-Release-Show zu „Captain Fantastic“ im Stuttgarter Club „Im Wizemann“ gespielt. Warum gerade dort?
Smudo (lacht): Wo hätten wir das denn sonst machen sollen?
Michi Beck: Smudo lebt in Hamburg, Thomas in der Eifel, ich in Berlin, und nur Andy ist noch hier, aber: Wir sind und bleiben eine Stuttgarter Band!

Smudo, du bist im März, Michi, du im Dezember 50 geworden. Wie darf man sich eure jeweilige Party vorstellen?
Michi: Ausschweifend. Es gab Käse und Kirschschnaps, bis zum Exzess.
Smudo: Von Michis Party hatte ich die ganze Woche was. Mein Geburtstag war aber auch geil. Ich habe richtig aufgefahren und mit Champagner, Austern und Jazzband gefeiert.

Verändert sich was, wenn man 50 wird?
Michi: In der Woche vor dem Geburtstag war ich richtig scheiße drauf.
Smudo: Ich auch.

Ehrlich?
Michi: Ja. Denn du weißt, dass du ziemlich sicher mehr Zeit hinter dir als noch vor dir hast. Das war definitiv der schwerste Geburtstag bisher.

Ist irgendwas super am Älterwerden?
Michi: Nee.
Smudo: Naja. Vielleicht, dass einem manche Sachen scheißegal werden.
Michi: Es ist aber auch kein Drama. Ich finde es bloß blöd, wenn man sich rausredet mit diesem „Ich bin weiser und gelassener geworden.“ Es herrscht nun mal Verfall, und das ist doof. Aber es ist toll, dass wir immer noch so abgehen, wie wir abgehen. Und dass wir ein zehntes Studioalbum gemacht haben, das sich absolut hören lassen kann.

„Immer noch die Fittesten, immer noch die Frischesten“ rappt ihr im ohnehin sehr knackig-fröhlichen Stück „Hitisn“. Das halbe Jahrhundert hört man euch auf „Captain Fantastic“ jedenfalls nicht an.
Michi: Gut so. Wir haben die klassischen Hip-Hop-Elemente auf dem Album stärker in den Vordergrund gestellt, mit sehr viel Beats und Rhymes gearbeitet und die Produktion hier und da minimalistischer gehalten. Für unsere Verhältnisse sind auf der Platte etwas weniger Melodien, dafür viele Punchline- und Poser-Raps drauf.

Ihr feiert euch, die „vier Dudes mit dem Riesen-Ego“, wie es auf „Hitisn“ heißt, also ordentlich ab. Ist das nun Selbstironie oder Selbstbeweihräucherung?
Smudo: Beides. Wir haben bei diesem Album auch mit Ideen von außen gearbeitet, Tracks wie „Hitisn“ oder „Aller Anfang ist Yeah“ greifen zum Beispiel Ideen von Samy Deluxe oder Denyo von den Beginnern auf und diese Jungs feiern uns halt mächtig ab. Wir selbst hätten es nie gewagt, uns so zu beweihräuchern, aber wenn das jemand von außen so sieht, dann denkst du: „Wird wohl was dran sein“.
Michi: Dieser Input war extrem erfrischend. Dadurch machen wir auf unserem Jubiläumsalbum so dermaßen einen auf dicke Hose wie seit unserem Debüt „Jetzt geht’s ab“ nicht mehr.

Ist der Druck eigentlich besonders heftig, wenn man ausgerechnet das zehnte Album macht?
Michi: Der Druck ist immer da, in Gestalt eines riesigen Korbes, der erst ganz am Ende der Produktion von deinen Schultern genommen wird. Vorher ist dieser Ballast, dieses Wissen, sich was einfallen lassen zu müssen, immer da. Wir haben ja drei Jahre an diesem Album gearbeitet, eine Pause, die diesen Namen verdient, hatten wir gar nicht. Denn auch wenn du noch nicht schreibst oder im Studio bist, hast du die nächste Platte immer im Kopf – ob du willst oder nicht. Wir hatten dieses Mal relativ früh festgelegt, dass wir 2018 ein neues Album und auch wieder eine Tour machen wollen, also brauchten wir neue Songs. Tingeln kommt für uns nicht in Frage.

Der erste neue Song war „Endzeitstimmung“, den habt ihr schon vergangenes Jahr live gespielt. So politisch hat man euch noch nie gehört.
Smudo: Das hat sich fast zwangsläufig so ergeben. Der Fanta-Kosmos ist geprägt durch die Welt, in der wir leben, und da die Zeiten gerade sehr politisch aufgeheizt sind, nimmt das Politische auch einen größeren Raum auf unserem Album ein. Das finden wir selbst interessant, denn wir haben uns im Grunde nie als politische Band gesehen. Wir haben höchstens mal gesellschaftliche Themen aufgegriffen und sie humorvoll illustriert. Aber jetzt war es so, dass uns speziell das Thema „Schleichender Populismus und die Verrohung der Debattenkultur“ richtig geärgert hat. Und diese Wut hat zu dem Lied „Endzeitstimmung“ geführt.
Michi: Die Nummer klingt wie ein Partytrack, ist aber inhaltlich sehr ernst. Aber eine eindimensionale Protestplatte könnten wir nicht machen. „Affen mit Waffen“ zum Beispiel lockern wir auf, indem Smudo aus dem „Dschungelbuch“ zitiert. Trotz deutlicher Aussagen sind das alles immer noch typische Fanta-Songs.

Statt „Pop, Pop, Populär“ rappt ihr auf „Endzeitstimmung“ nun „Pop, Pop, Populist“.
Smudo: Ja. So krass habe ich die Entwicklung nicht kommen sehen, aber durch mein Engagement bei „Laut gegen Nazis“ habe ich schon früh Wind von diesen Tendenzen bekommen. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass das Problem mit den Rechten so viel Schwung bekommt. Die Entwicklung wurde befeuert durch die Flüchtlingskrise und die damit zusammenhängenden Angst-Szenarien. Alles wurde sehr vereinfacht, die Realitäten simplifiziert, Details weggelassen – eben Populismus als politisches Mittel der Mobilmachung. Ich finde es ein Riesenproblem, dass durch den Rechtspopulismus die Sprache so verroht ist und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft so zugenommen hat. Die Rhetorik der Rechten bedroht die Gesellschaft viel mehr als die Tatsache, dass die AfD im Bundestag sitzt, wo sie sich ja permanent selbst demaskiert.

Wie meinst du das?
Smudo: Dieses „Wir sind das Volk“ und „Wir sprechen für die anderen“ sind ganz billige populistische Tricks. Mich erinnert vieles an die Situation in den 30er-Jahren. Auch damals war es nicht so, dass das Böse urplötzlich über uns gekommen wäre. Sondern es war ein schleichender Prozess. Der Faschismus ist für viele eine interessante Option, und das macht mir Sorgen. Trotzdem glaube ich noch fest an das Gute im Menschen, an die freien Medien und unsere demokratische Debattenkultur.

Sind Künstler wie Die Fantastischen Vier, auf die sich ja größtenteils alle einigen können, der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält?
Smudo: Ja. Es ist Aufgabe der Kunst, die Gesellschaft zu mobilisieren und ein Gefühl der Solidarität zu vermitteln. Musik ist ein verbindendes Element.
Michi: Wir leben den Zusammenhalt ja praktisch vor, quasi am Mann. Wir Vier haben mehr Zeit miteinander verbracht als mit irgendeinem anderen Menschen. Dass wir immer noch weitermachen, immer noch als Gemeinschaft funktionieren, ist ein großes, bewegendes Gefühl. Fanta Vier – das ist nicht nur unser Lebensmodell, das ist unser Leben.

Dem ihr mit „Zusammen“, eurer neuen Single, gewissermaßen ein Denkmal setzt.
Michi: In dem Song geht es aber nicht nur um uns, sondern insgesamt um Freundschaft. Wir hatten beim Texten dieses Bild im Kopf von Freunden, die durch die Nacht ziehen, nach der Devise „Komm, einen noch“.

Smudo, du hast drei Töchter, die jüngste kam 2017 zur Welt, Michi, du hast zwei. Versackt ihr manchmal noch, wenn ihr privat unterwegs seid?
Smudo: Das kann passieren, darf aber nicht passieren. (lacht) Weil am nächsten Morgen um Viertel vor acht die Kinder in die Schule müssen. Und man sich den restlichen Vormittag auf den Mittagsschlaf mit dem Baby freut, nur um festzustellen, dass das Baby ausgerechnet heute keinen Mittagsschlaf machen will … Tja, das ist das Leben.

Clueso singt auf „Zusammen“ den Refrain. Wie kam es dazu?
Smudo: Clueso ist ein alter Freund und war eine unserer frühesten Entdeckungen für unser Label „Four Music“. Er ist also ein langjähriger Wegbegleiter, und noch dazu jemand, der singen kann. Wir wollten den Refrain erst selber singen, aber unser Produzent Thomilla meinte „Interessante Idee, aber das lasst ihr besser bleiben“.

Was habt ihr eigentlich noch für Karriereziele?
Smudo: Wir spielen noch nicht wie Die Toten Hosen in Stadien, vielleicht schaffen wir das noch auf unsere alten Tage. Und wir hatten noch nicht diesen einen, alles erdrückenden Megahit. Sondern immer nur Fantahits.
Michi: Was ja auch okay ist.
Smudo: Was das würdevolle Altwerden als Band angeht, hat man in Deutschland nicht viel Anschauungsmaterial. Langfristig müssen wir uns wohl an Karl Lagerfeld orientieren und in Uniformen schlüpfen, die uns alterslos machen.

Der Albumtitel stand frühzeitig fest. Wer ist „Captain Fantastic“?
Michi: Die Idee ist von Thomas. Der Captain ist weder eine Person noch ein Superheld. Sondern eine Geisteshaltung.

Eine Geisteshaltung?
Smudo: Genau. „Captain Fantastic“ symbolisiert die Einstellung, dass man sich beim Schreiben und Musikmachen nicht so anstellen und schwertun soll. Sondern dass man überzeugt ist: Das wird geil. Der Titel war so eine Art Kniff, der uns half, den inneren Zensor loszuwerden.
Michi: Der Titel klingt auch einfach verdammt gut und steht für die einzigartige Supermacht, die uns immer noch mit unseren Fans verbindet.

Überhaupt durchzieht das ganze Album ein positives Grundgefühl.
Smudo: Schön, dass du das sagst. Das finden wir auch. „Captain Fantastic“ ist frisch, fröhlich und optimistisch.
Michi: Ich bin immer schon Berufspessimist, Thomas ist ein unerschütterlicher Optimist, Smudo irgendwas dazwischen, und der Haupteindruck der Platte ist eher ein „Seid glücklich“ als ein „Alles geht den Bach runter“. Deshalb war es uns auch ganz wichtig, das Album mit Thomas‘ Solo-Song „Weitermachen“ zu beenden. Der hat mich berührt wie lange kein Thomas-Stück mehr.
Smudo: „Weitermachen“ hat eine angenehme, auch angebrachte Portion Pathos. Die Nummer hat eine große Bedeutung für uns alle.

Die Frage, ob Die Fantastischen Vier weitermachen werden, dürfte sich also gar nicht erst stellen.
Smudo: Wir hören so schnell nicht auf. Unser 25-Jähriges haben wir gefühlte drei Jahre lang gefeiert, nächstes Jahr steht schon unser 30-Jähriges an und das wollen wir gefühlte fünf Jahre lang feiern. Und das 40-Jährige erst, wie krass wird das denn? Dann sind wir 60.
Michi: Jubiläen und runde Geburtstage sind halt das Einzige, an dem man sich in unserem Alter noch hochziehen kann. 

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