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Hellblade: Senua's Sacrifice

Umgeben von Finsternis, bleibt kein Platz für Spaß – doch fesselnd ist das Ganze dennoch.

Eines gleich vorweg: „Hellblade: Senua's Sacrifice“ ist sicherlich kein Spiel, das euch sonderlich Spaß machen wird – zumindest nicht im eigentlichen Sinne. Dafür ist die Thematik zu ernst und die Umsetzung zu authentisch. Aber das soll nicht heißen, dass ihr diesen Titel nicht spielen sollt – ganz im Gegenteil. Das englische Entwicklerstudio Ninja Theory zeigt auf fast erschreckende Weise, wie man eine schwere Psychose in Software umwandelt. Die Kniffe, die sie dabei verwenden, sind umwerfend und absolut spannend. Willkommen in der düsteren Welt von Senua.

Schicksalhafte Begegnung

Die Story dreht sich um eine junge Frau namens Senua, die stark traumatisiert ist, was aufgrund ihrer Erfahrungen verständlich ist: Nachdem Männer aus dem Norden ihren geliebten Gatten kaltblütig ermordet haben, ließen sie Senua einfach mit diesem Horror zurück. Nun will sich die Kriegerin selbst aufmachen in das Reich der Toten, um ihren Mann wiederzubeleben. Allerdings wird sie auf ihrer Reise ständig von merkwürdigen Stimmen in ihrem Kopf begleitet. Auch ihren Augen kann sie nicht immer trauen …

Allein die Anfangssequenz, in der Senua auf einem Holzstamm durch einen Fluss paddelt, an dessen Ufer sie links und rechts gepfählte Tote begrüßen, zeigt schnell wohin die Reise geht. Dieses Abenteuer ist keine gemütliche Wanderung durch eine bunte Welt. Es ist ein schwerer Gang durch eine Finsternis, die sich in Senuas Kopf breitgemacht hat. Meine Empfehlung: spielt unbedingt mit Kopfhörer. Auf diese Art erfahrt ihr, wie es sich für Senua anfühlt, wenn ständig verstörende Sätze durch ihren Kopf flirren. Immer wieder verhöhnen und lachen die Stimmen, lästern über sie, beschimpfen sie sogar und sagen ihr in vielen Situationen, wo es langgeht. Ninja Theory hat an dieser Stelle ganze Arbeit geleistet.

Suche und kämpfe!

Das Spiel selbst ist eine Mischung aus Adventure samt Rätseleinlagen plus eine Portion blutiger Gefechte mit brutalen Widersachern. Den Beginn verbringt ihr damit die schlauchartigen und sehr eingegrenzten Areale zu untersuchen. Für den nötigen Puzzle-Effekt sorgen visuelle Rätsel, bei denen ihr Runen mit irgendwelchen Gegenständen in eurer näheren Umgebung überdecken sollt. Ein netter Anfang. Allerdings wiederholen sich diese Rätsel dann im Laufe der rund neun Stunden langen Kampagne dann etwas zu häufig.

Zum Glück haben die Macher noch andere Aufgaben für euch eingebaut, um etwas Abwechslung zu bieten – wo wir auch schon beim Kämpfen wären. Müsste ich es grob abschätzen, würde ich sagen, dass ihr etwa zwei Drittel des Spiels mit Entdecken und Rätseln verbringt, während das letzte Drittel aus Kämpfen besteht – alles in einem stetigen Wechsel. Dass Ninja Theory zuvor schon Erfahrungen mit Kampfspielen gesammelt hat – ich sage nur „Devil May Cry“ – merkt man den Fights deutlich an.

Wenn Senua ihr Schwert zückt, um sich gegen die Feinde durchzuschlagen, geschieht dies mit einer Wucht, die den Bildschirm zum Wackeln bringt. Die nah über die Schulter geführte Kamera schränkt etwas die Sicht ein, was nochmals den Effekt von Senuas Psychose verstärkt – genial gemacht. Das Kampfsystem selbst ist nicht allzu komplex: Leichter Schlag, harter Schlag, blocken, ausweichen und treten – das war’s schon. Geht ziemlich schnell ins Blut über, macht Laune und wiederholt sich ebenfalls spätestens ab der Hälfte des Spiels immer wieder.

Etwas mehr Profil bitte

Etwas schade finde ich die Tatsache, dass ich so direkt in die Story hineingeworfen werde. Senua ist für mich eine Art Verrückte, über die ich die Kontrolle übernehmen darf. Wer sie vor der brutalen Attacke auf ihren Mann war, erfahre ich nicht – oder zumindest nur teilweise. Vielleicht hätten Flashbacks, in denen ich die gesunde Senua spielen darf, an dieser Stelle für mehr Tiefe gesorgt und mich mehr mit dem Charakter verbunden. So leide ich zwar etwas mit ihr, aber es berührt mich nicht, wie es eigentlich sollte.

Dennoch hat Ninja Theory das Krankheitsbild ziemlich authentisch eingefangen. Optisch bin ich wirklich erstaunt, was „Hellblade: Senua's Sacrifice“ für einen eigentlich kleinen Preis von gerade mal 30 Euro abliefert: Die Umgebungen und das Design der Feinde, sowie das hervorragende Performance-Capturing von Hauptdarstellerin Senua ist Ninja Theory durchaus gelungen. In Sachen Grafik könnt ihr also einen Haken hinten dranmachen. Passt.

Fazit

Nachdem das Ende über den Bildschirm flackert, bin ich einerseits erleichtert, dass der Höllentrip nun vorüber ist, andererseits bin ich froh, dass ich diesen Titel nicht verpasst habe. Wie gesagt: „Hellblade: Senua's Sacrifice“ ist kein Spiel, auf das man spontan Lust hat und das einen dann locker-leicht unterhält. Ihr müsst euch schon ein kleines Stück aufraffen, um hier an den Start zu gehen. Sobald ihr die Welt dann aber durch Senuas Augen seht und hört, werdet ihr vielleicht am Ende auch einen völlig neuen Zugang zu geistigen Krankheiten erhalten – worüber ich den Machern von Ninja Theory sehr dankbar bin. Ein mutiges Spiel, das trotz aller Ecken und Kanten, zu einem der denkwürdigsten Titel gehört, das ich in den letzten Monaten getestet habe. 

Erhältlich für: PS4, Xbox One, PC
Website: hellblade.com