Konzert

„Man kann mir vertrauen“

Alice Merton im Lifestyle-Interview

Mit dem Ohrwurm „No Roots“ wurde Alice Merton auf einen Schlag berühmt. Bevor die aus Frankfurt stammende Sängerin am 25. März die Rockhal besucht und die Songs ihres Debütalbums „Mint“ performed, stand sie uns im Interview Rede und Antwort.

„No Roots“ ist praktisch auf der ganzen Welt erfolgreich gelaufen, du hast Konzerte in Ländern wie Serbien und der Türkei gespielt und bist in der „Tonight Show“ mit Jimmy Fallon in New York aufgetreten. Wie konnte der Song einer bis dahin völlig unbekannten Musikerin so dermaßen eingeschlagen?
Alice Merton: Das habe ich mich selbst immer wieder gefragt. Ich denke, die Antwort ist: Weil praktisch alle Menschen das Gefühl kennen, das ich in „No Roots“ beschreibe. Nämlich diese Mischung aus Rastlosigkeit und dem Wunsch, irgendwo anzukommen und Wurzeln zu schlagen. Diese innere Suche nach Heimat ist überall auf der Welt gleich. Außerdem weiß ich selbst ziemlich gut, wovon ich da singe.

Dein Vater ist Ire, deine Mutter Deutsche, du bist in Frankfurt am Main geboren, hast mit deinen Eltern auch in New York und Kanada gelebt und in München, wo du auch Deutsch gelernt, auf einer Klosterschule dein Abitur gemacht hast. Inzwischen lebst du in Berlin. Wo ist denn deine persönliche Heimat?
Alice Merton: Mein Zuhause ist kein Ort, sondern bei den Menschen, die mir nahestehen, die ich liebe. Meine Eltern wohnen jetzt zwei Stunden von London entfernt und plötzlich bekam ich vor zwei Tagen ganz krasses Heimweh nach meinem Vater. Aber ich konnte nicht hin, weil ich zu tun hatte. Ich reise gern, ich liebe es, neue Orte zu sehen. Witzigerweise war ich in den zwei Jahren, seit „No Roots“ rausgekommen ist, erst recht kaum noch zuhause. Sondern praktisch immer auf Tour. Jetzt mit Mitte 20 ist das auch super so. Andererseits ist der Wunsch, fest an einem Ort zu bleiben, meinen Platz gefunden zu haben, vielleicht mal eine Familie zu gründen, schon auch vorhanden.

Hast du Geschwister?
Alice Merton: Ja. Meine ältere Schwester ist Lehrerin und mein kleiner Bruder studiert Ingenieurswissenschaften.

Wann war für dich klar, dass du Musikerin sein willst?
Alice Merton: Mit 14 habe ich erste Songs geschrieben, das waren so richtige Rockopern. Mein Vater ist ein riesiger Queen-Fan, das muss irgendwie abgefärbt haben. Nach dem Abi erst in Augsburg BWL studiert, was mir sogar Spaß gemacht hat. Dann entdeckte ich die Popakademie in Mannheim, bestand die Aufnahmeprüfung und wusste: So, jetzt alles oder nichts. Die Popakademie ist anspruchsvoll und anstrengend, das kannst du nicht nebenher machen. Ich habe Kontakte geknüpft und tolle Leute kennengelernt wie Nico Rebscher, der „Mint“ produziert hat, oder meinen Kommilitonen Paul Grauwinkel. Zusammen sind wir nach Berlin gegangen und haben unser Label „Paper Plane Records“ gegründet.

Wo hast du erste Live-Erfahrungen gesammelt?
Alice Merton: Bei Vapiano in Augsburg. Dort bekam ich allerdings keine Gage, sondern wurde in Essen bezahlt. (lacht) Und manchmal beschwerten sich Leute, dass die Musik zu laut sei. Später in Mannheim habe ich in kleinen Lokalen und auch mal im Einkaufszentrum gespielt. Am Anfang solltest du nicht allzu wählerisch sein.

Hast du versucht, bei einer großen Plattenfirma unterzuschlüpfen oder wolltet ihr bewusst von Anfang an euer eigenes Ding machen?
Alice Merton: Wir hätten schon einen Plattenvertrag gewollt, aber kein Label wollte unsere Musik haben, wie sie war. Ich bin eben ein Dickschädel und beschloss, meine Musik nicht zu ändern, sie nicht gefälliger oder irgendwie glatter zu machen. Also haben wir es in die eigenen Hände genommen.

Wie hast du gemerkt, dass „No Roots“ so ein Hit wird?
Alice Merton: Vor allem an den Reaktionen der Menschen. Der Song hat sich verbreitet wie ein Schneeball, erst war er klein, und während er den Berg runterrollte, wurde er zu einer krassen Lawine.

Was hast du dir nach dem Erfolg gegönnt?
Alice Merton: Ein Piano. Das steht in meiner Wohnung in Berlin. Jetzt kann ich zuhause Songs schreiben und Ideen ausprobieren, wie ich möchte. Vorher lebte ich mit Paul in einer Einzimmerbude, wir hatten ein Stockbett, er oben, ich unten. Das war schon heftig. Wir sind nie ein Paar gewesen, und wenn mal einer von uns jemanden mit nach Hause brachte, war es echt schwierig. Zum Glück konnte das unserer Freundschaft nichts anhaben.

In den Songs auf „Mint“ machst du oft ziemlich direkte Ansagen. „Lash Out“ ist richtig rockig und wütend, auch „Funny Business“ oder „Why So Serious“ klingen, als seist du sehr forsch und meinungsstark.
Alice Merton: Ich bin ein ehrlicher Mensch, ich mache keinen Mist und würde niemals jemanden hängen lassen. Man kann mir vertrauen. Aber ich streite mich eben auch, wenn es nötig ist. Und ich habe festgestellt, dass Reibung gut ist zum Songschreiben. Also sind Stücke wie „Speak Your Mind“ oder „Lash Out“ ganz schön direkt. In beiden Songs geht es darum, wie sehr ich es hasse, wenn Leute nicht ihre Meinung sagen und Wut in sich hineinfressen.

Worüber sprichst du in „Learn To Live“?
Alice Merton: Über meine vielen Ängste und den Wunsch, ihnen nicht mehr so viel Aufmerksamkeit schenken zu müssen. Ich wäre gerne unbeschwerter, aber wegen meiner krassen Angstprobleme gelingt mir das oft nicht. Manchmal geraten die Ängste richtig außer Kontrolle. Vielleicht wird es besser, wenn ich endlich mal eine Angsttherapie mache.

Was tust du gegen die Ängste?
Alice Merton: Meditieren hilft. Und vor allem: Pfefferminz. Daher kommt auch der Albumtitel „Mint“. Minze funktioniert bei mir in allen Variationen. Tee, Kaugummi, ganz egal. Der Geschmack beruhigt meinen Magen und ist gut für meine Nerven. 

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