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Disciples: Liberation

Kann Disciples eine alte Leidenschaft erwecken? Die Chancen stehen nicht schlecht.

Was? 22 Jahre ist das her? Dann nämlich kam der letzte Teil von Disciples auf den Markt. Mit Liberation will Kalypso nun einen Neuanfang wagen, der an die goldenen Zeiten anknüpft.

Erinnert ihr euch?

Ach so, ihr habt noch nie was von Disciples gehört? Kennt ihr vielleicht King's Bounty oder Heroes of Might&Magic (HOMM)? Dann seid ihr auf der richtigen Spur. Disciples war damals in den 90er-Jahren inspiriert und inspirierend für das Genre dieser rundenbasierten Aufbau-Action-Rollenspiele. Erst kürzlich hat King's Bounty einen Neuanfang gewagt, ist aber etwas über den Rollenspielanteil gestolpert. Nun steht also Disciples in den Startlöchern.

Mit Disciples: Liberation geht Kalypso zwar auch in eine neue Richtung, hält sich aber viel mehr an die Vorlage. Soll heißen: Ihr steuert eure Heldin (ja, ihr spielt eine Dame) in isometrischer Ansicht durch die Gegend – ähnlich, wie ihr es aus Diablo-Spielen kennt. Das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten zu Diablo. Denn Disciples: Liberation ist kein Echtzeit-, sondern ein rundenbasiertes Taktikrollenspielchen. Und das ist auch gut so.

Fokus auf alte Traditionen

Während sich die Neuauflage von King’s Bounty etwas in dem Rollenspielaspekt aus der Third-Person-Perspektive verlor, weckt Disciples: Liberation gleich nostalgische Gefühle in mir. So in etwa habe ich mir eine moderne Neuinterpretation vorgestellt. Dass es jetzt nur in den Kämpfen rundenbasiert zur Sache geht, finde ich völlig in Ordnung. Schön ist, dass man die Ressourcen und den Stadtaufbau nicht vergessen hat. Wie läuft Disciples: Liberation also ab? Schauen wir uns das mal an.

Zunächst beginnt euer Abenteuer in einem Kerker, in der ihr euch mit eurem Kumpanen eingeschlichen habt. Die Mission: Bringt einen alten Mönch um die Ecke. Der Auftrag dient dabei als Tutorial, in dem ihr die wichtigsten Elemente von Disciples: Liberation kennenlernt. So navigiert ihr eure Figur direkt durch die Gewölbe und entdeckt hier und da eine Schatztruhe mit Ausrüstungsgegenständen. Auch die Gegner seht ihr meist von Weitem. Wenn ihr näherkommt, beginnt der Kampf und die Ansicht wechselt aufs Schlachtfeld, das in Sechsecke eingeteilt ist.

Taktik auf dem Schlachtfeld

Dort dürft ihr euch wie bei einer Partie Schach nach und nach bekämpfen: Figuren ziehen, angreifen oder Spezialfähigkeiten nutzen – je nachdem, welche und wie viele Aktionspunkte euch zur Verfügung stehen. Anfangs macht jeder Zug Laune, weil ihr eure beiden Helden erst einmal besser kennenlernen müsst. Im späteren Verlauf werden die Kämpfe durch ihr gemächliches Tempo dann etwas zäher – insbesondere, wenn über zehn Charaktere auf dem Schlachtfeld stehen.

Im Anschluss an das Tutorial landet ihr in einer mysteriösen Himmelsstadt, von wo das Abenteuer erst richtig beginnt. Ihr wählt dabei selbst, wohin euch die erste Reise führt: Zu den Menschen im Imperium, zu den Dämonen, zu den Untoten oder lieber den Elfen. Dabei sind die Gebiete allerdings in Schwierigkeitsgrade eingeteilt, sodass die Dämonen eine leichtere Wahl darstellen.

Im Verlauf der Kampagne erledigt ihr für die vier Fraktionen Aufgaben und steigt oder fallt in deren Gunst. Das hat Auswirkungen darauf, welche Einheiten ihr mit in die Schlacht führen könnt. Überlegt euch also besser früh, welche Truppen ihr anführen möchtet. Die Anzahl der Einheiten bestimmt übrigens euer Charakterwert, der mit jedem Levelanstieg ebenfalls gehoben wird. Könnt ihr zu Beginn nur drei Standard-Kämpfer mitnehmen, habt ihr später auch mal Drachen und sonstige Biester in euren Reihen.

Mitgedacht

Wirklich schick sind die etlichen Komfortfunktionen, die Disciples: Liberation spielenswerter machen. Mein Highlight ist die Funktion „Besiegen“: Trefft ihr nämlich auf einen Gegner, der euch deutlich unterlegen ist, drückt ihr auf „Besiegen“ und ihr gewinnt den Kampf automatisch ohne Verluste. Leider gilt das nicht für Gegner, die mit der Story verbunden sind. Dort müsst ihr in den sauren Apfel beißen und kämpfen – was bei sehr vielen Auseinandersetzungen schon mal langweilig werden kann, da ihr haushoch überlegen seid.

Sowieso ist der Schwierigkeitsgrad sehr schwankend. Ab und an hatte ich das Gefühl, dass mich nichts und niemand besiegen kann. Dann traf ich zufällig auf einen scheinbar mittelmäßigen Gegner, der eine Schatzkiste bewachte – und bekam ordentlich die Hosen heruntergezogen. Auch in der Story vermischt sich dieser Schwierigkeitsgrad immer mal wieder. Von Fallobst zu Legenden würde ich das salopp beschreiben. Und ihr wisst vorher nie genau, was euch erwartet. Daher speichert oft, wenn ihr nicht allzu weit zurückgeworfen werden möchtet.

Viel zu tun nebenher

Für mehr Tiefgang sorgen die drei Fähigkeitenbäume, Zaubersprüche und verschiedene Ausrüstungsgegenstände. Denn während der Kämpfe kann eure Heroin auch Zauber wirken, die bei mir oft die Entscheidung über Sieg oder Niederlage herbeigeführt haben. Dabei dürft ihr euch in eine defensive, offensive oder unterstützende Rolle begeben – ganz wie es euch gefällt.

Insgesamt macht Disciples: Liberation für damit einen richtig guten Job – es gibt jedoch ein aber. Je weiter ich in der Story voranschreite, desto mehr fallen die unnötig langen Kämpfe auf. Gäbe es wenigsten die Option, dass die Schlachten automatisch und in fünffacher Geschwindigkeit ablaufen, wäre das noch okay. Aber eure Einheiten kriechen teils ultra langsam über das Feld und das obwohl euer Gegner nicht den Hauch einer Chance hat. Da trübt den allgemeinen Spielspaß dann doch sehr. Die „Besiegen“-Option sollte also auch für die Story Gültigkeit besitzen, schön wär's.

Fazit

Disciples: Liberation hat für mich dieses Jahr das Rennen um die beste Neuauflage von solch rundenbasierten Rollenspielen gewonnen. Besser als bei King’s Bounty kommen hier nostalgische Gefühle hoch und teleportieren das alte Spielgefühl in die moderne Zeit. Bei einigen Komfortfunktonen hat sich Kalypso redlich Mühe gegeben, nur bei der wichtigsten Funktion nicht ganz bis zu Ende gedacht. Würden die Kämpfe in der Story schneller oder automatisch ablaufen, wäre da ein dicker Pluspunkt – Spaß macht das Ganze dennoch. Vielleicht löst ein Patch diesen Makel in Zukunft noch auf. Dann steht einem glorreichen Neuanfang nichts mehr im Wege.

Erhältlich für: PC, Xbox, PS
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