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Empire of Sin

Der Prohibition zum Trotz: Sei Teil der „Familie“ – wenn dich das Spiel lässt.

Wenn John Romero ein Spiel macht, bin ich normalerweise immer ganz Ohr. Nur diesmal ist es eben nicht der „Doom“-Erfinder, sondern seine Frau Brenda Romero, die hier federführend beteiligt war. Interessant. Sie wirft uns mitten in die 1920er-Jahre in Chicago als das Trinken von Alkohol eine Straftat war. „Empire of Sin“ ist ein fiktives Werk um Macht, Alkohol und die Familie.

Zwei Welten in einer

Grundsätzlich vermischt Brenda Romero zwei Genres hier miteinander: Auf der einen Seite habt ihr es mit einer Aufbau-Simulation zu tun, auf der anderen Seite mit einem rundenbasierten Taktikspiel á la XCOM. Eine ziemlich coole Mischung – auf den ersten Blick zumindest. Das Setting jedenfalls hat mich direkt überzeugt. Zunächst wählt ihr den Boss, den ihr zu Ruhm führen wollt.

Denn genau das ist euer erklärtes Ziel: Als Oberhaupt der Familie die anderen Familien aus Chicago zu vertreiben. Jeder Boss hat andere Fähigkeiten, die ihm im Spiel unterstützen: „Empire of Sin“ unterscheidet dabei über Vorteile, die den rundenbasierten Teil betreffen, und solche, die euer Imperium direkt beeinflussen.

Dabei kann es sein, dass ihr Bordelle oder Bars günstiger renovieren könnt, während ihr im Kampf besonders hart zuschlagen dürft. Auch Diplomatie spielt eine wichtige Rolle. Denn ihr müsst nicht nur kämpfen, sondern könnt mit Konkurrenten auch Abmachungen treffen.

Ru(h)m und Macht

Dann beginnt der Kampf um Alkohol und Macht. Anfangs macht das Verwalten der einzelnen Etablissements noch ordentlich Laune: Ihr betreibt „Werbung“ für eure Lokalitäten oder rüstet diese entsprechend auf. „Empire of Sin“ setzt aber voraus, dass ihr besonders auf die Wachleute euren Fokus setzen solltet, da andere Familien jederzeit angreifen könnten. Ihr wisst nie wo oder wann, aber es wird definitiv passieren.

Wenn so etwas passiert, dann wechselt das Spiel nahtlos in einen rundenbasierten Modus. Dieser ist recht klassisch gehalten: Wenn ihr schon mal XCOM oder ein ähnliches Spiel gezockt habt, sollte euch alles hier bekannt vorkommen. Jeder Charakter hat zwei Aktionen pro Runde: Bewegen und Angreifen – oder eine entsprechend andere Aktivität.

Wer wann an der Reihe ist, entscheiden die Charakterwerte. Nach einer siegreichen Runde dürft ihr euch über Erfahrungspunkte freuen. Nach jedem Levelanstieg bekommt ihr dann ein paar neue Fähigkeiten zur Auswahl, die euren Charakter immer stärker werden lassen – damit ist nicht nur euer Boss gemeint, sondern auch die anderen Lakaien. Diese können sogar innerhalb der Familie aufsteigen und damit einzelne Stadtteile in Chicago stärken. Eine ziemlich innovative Idee.

Wenn ihr nicht aufs Kämpfen aus seid, dann gibt euch „Empire of Sin“ auch die Möglichkeit der Diplomatie: Sehr oft werdet ihr an den Friedenstisch gerufen, um einen Waffenstillstand oder ein gemeinsames Projekt auszuhandeln. In Dialogoptionen klickt ihr euch so durch die Gespräche.

Stark verwässerte Aussichten

So viel zum Grundgerüst von „Empire of Sin“. Was sich auf dem Papier bis hierhin ganz gut anhört, ist in der Praxis ein nervenaufreibendes Unterfangen. Denn ein paar Dinge habe ich noch nicht erwähnt: Die meisten Kämpfe lassen sich nicht verhindern, wenn ihr einfach mal durch die Gegend spaziert mit eurer Truppe. Sobald Feinde auftauchen, startet der rundenbasierte Part – auch wenn ihr nur Zuschauer einer Keilerei zwischen der Konkurrenz seid. Das kann natürlich im echten Leben auch so passieren, doch hier passiert es gefühlt alle fünf Minuten.

Hinzu kommt, dass ihr eigentlich im Dauerfeuer gegnerischer Angriffe steht. Ich hatte kaum zwei Minuten für mich, um eines meiner Etablissements aufzuwerten, da beginnt schon irgendwo anders ein Kampf, in den ich hineingezogen werden. Das kann echt nerven. Auch die Missionen innerhalb des Spiels sehe ich kritisch: Eigentlich sollen sie etwas Story in das Wettrennen um Alkohol und Macht bringen.

Doch wenn man diese aufgrund technischer Probleme gar nicht abschließen kann, dann bringt das sehr wenig. Innerhalb der rundenbasierten Kämpfe habe ich mich zudem sehr oft über die Dummheit meiner Leute geärgert und über die der Gegner gefreut. Dass viele Kämpfe so zur simplen, aber langatmigen, monotonen Alltagsroutine werden, verschweige ich besser.

Fazit

Bei „Empire of Sin“ gehen Theorie und Praxis anscheinend verschiedene Wege: Was sich auf dem Papier nach einem innovativem Mix aus zwei coolen Genres anhört, wird in der Praxis zum nervenkostenden Abenteuer. Zu viele Mechanismen scheinen nicht überlegt oder unausgegoren zu sein – als hätte man „Empire of Sin“ unter Hochdruck fertigstellen müssen.

Die kleinen Bugs kann ich an dieser Stelle noch gut verkraften, doch wenn grundlegende Mechaniken am Nervenkostüm zerren, ist das kein gutes Zeichen. In dem Zustand kann ich „Empire of Sin“ wirklich keinem empfehlen. Vielleicht bringen Patches in der Zukunft ja ein anderes Resultat auf den Markt – Brenda Romero würde ich es wünschen.

Erhältlich für: PS4, Xbox One, PC, Switch
Website: empireofsingame.com