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GreedFall

Schöne, mysteriöse Welt – dieses Rollenspiel tritt in sehr große Fußspuren.

Legen wir die Karten gleich zu Anfang auf den Tisch: „GreedFall“ vom französischen Entwicklerstudio Spiders aus dem Hause Focus Interactive hatte ich absolut gar nicht auf dem Schirm. Bei der derzeitigen Flut an Neuerscheinungen aber auch kein Wunder. Umso überraschter war ich, als ich meine ersten Schritte in „GreedFall“ unternahm. Schnell war klar: Hier steht etwas Großes in den Startlöchern.

Hübscher Einstieg

Zunächst einmal erinnert mich „GreedFall“ anhand der Optik an die Piratenausflüge eines „Assassin’s Creed: Black Flag“ – was ich schon mal grundsätzlich sehr sympathisch finde. Ansiedeln würde ich das Setting im 17. Jahrhundert irgendwann, als die Seefahrt noch aufregender war als heutzutage.

Doch „GreedFall“ ist keine historische Abhandlung irgendwelcher realen Vorgänge. Nein, „GreedFall“ ist durch und durch ein Fantasy-Spektakel mit Magie, Monstern und weiteren übernatürlichen Phänomenen. Allen voran eine mysteriöse Krankheit, die die Menschheit befallen hat. Diese nennt sich Malichor und wütet im schönen Küstenstädtchen Serene – der Heimat unseres Helden oder Heldin.

Denn bevor das Abenteuer richtig starten kann, müsst ihr euch erst einmal einen Charakter erstellen. Ob Männlein oder Weiblein, ist euch überlassen. Die Optionen arten dabei auch nicht sonderlich aus, so dass ich nach fünf Minuten einen passenden Charakter erstellt habe – jedenfalls nach meinem optischen Gusto. Den ersten Fähigkeiten und Eigenschaften darf ich mich im nächsten Schritt widmen.

Und da überrascht „GreedFall“ mit einer sehr klassischen Art, die an die gute alte Zeit der Rollenspiele erinnert. Ich darf mich anfangs für eine grundsätzliche Richtung entscheiden, in die sich mein Charakter entwickeln soll: Setze ich auf physische Kraft, Charme oder Magie? Danach lege ich meine anfänglichen Fertigkeiten und Attribute fest – wobei ich mich sehr beschränken muss, da ich zu Beginn jeweils nur einen Punkt verteilen darf.

Entwicklungssprünge

Dieses Charaktersystem erlaubt im späteren Spielverlauf aber auch, dass ich grundsätzlich nicht beschränkt bin auf eine Spielweise: Ich darf später in jede Eigenschaft oder in jedes Attribut investieren, das ich für sinnvoll halte. Dadurch kann ich mich theoretisch zwar auch verskillen, aber selbst dazu gibt es ein System, das mir in beschränktem Maße erlaubt, die Punkte neu zu verteilen.

Dennoch ist es erfrischend, dass ich diese Möglichkeiten überhaupt habe. Nach dem netten Einstieg in die Story trabe ich etwas in der verseuchten Küstenstadt Serene umher. Doch lange hält mich hier nichts: Die Geschichte will, dass ich mich auf den Weg zur geheimnisvollen Insel Tier Fradee mache.

Dort soll anscheinend ein Heilmittel für die Malichor-Krankheit verborgen sein. Dass es dort aber auch vor magischen Wesen und fiesen Kreaturen wimmelt, wird zunächst mal verheimlicht. Gemeinsam mit meinem Team geht es in Richtung des mysteriösen Eilands.

Fantastische, neue Welt

Sobald ich dort angekommen bin, eröffnet sich mir ein neues Bild: „GreedFall“ ist den Machern wirklich sehr hübsch geraten mit seinen warmen Farben und den liebevoll gestalteten Umgebungen. Mir gefällt, was ich sehe. Und schon gleich gerate ich mit ein paar Wildtieren aneinander, was mich direkt zum Kampfsystem bringt.

Als Magier halte ich mich etwas im Hintergrund und lasse meine Teammitglieder in den Nahkampf. Hier weht ein Hauch von „Dragon Age“ beziehungsweise Bioware durch „GreedFall“: Denn per Tastendruck kann ich das Geschehen kurzerhand pausieren und meine nächsten Aktionen in einer Befehlskette aneinanderreihen.

Über diesen Punkt freut sich der Taktiker in mir. Je nachdem, welchen der vier Schwierigkeitsgrade ihr ausgewählt habt, habt ihr diese Ansicht auch bitter nötig. Denn nur, wenn ihr eure Fähigkeiten geschickt miteinander kombiniert, werdet ihr auf den höheren Schwierigkeitsgraden Erfolg haben. Sobald die ersten Monster auf den Plan treten, zeigt sich die kreative Ader der französischen Entwickler.

Das Design ist herrlich ausgefallen und erinnert mich persönlich an die furchtbar schönen Kreaturen von „The Witcher 3“. Entschuldigt bitte die ganzen Vergleiche, aber seht es als Kompliment an „GreedFall“. Es ist irgendwie eine Mischung aus vielen meiner Lieblingsspiele – was ein eigenständiges Produkt mit viel Charme ergibt.

Die Animationen wirken allesamt ziemlich geschmeidig, was man von den Gesichtern in den Dialogen nicht behaupten kann: Da hatte ich oft das Gefühl, dass hier steife Puppen miteinander reden.

Reden kann auch mal Gold sein

Wer nicht allzu viel Lust auf die ganzen Kämpfe hat und lieber mal ein Gefecht auslassen will, der kann dies bei „GreedFall“ ebenfalls tun: Investiert ein paar Punkte in Charme oder Intuition und schon werden euch neue Dialogoptionen bei Gesprächen mit NPCs angezeigt, die oftmals eine friedliche Lösung der Konflikte garantieren.

Jede Ausrichtung der Eigenschaften eröffnet euch also neue Wege, wie ihr das Spiel erleben werdet. Als Magier habe ich die Chance, Tränke zu mischen und Wände kurzerhand wegzusprengen – coole Sache. Eure Ausrüstung spielt natürlich auch eine entscheidende Rolle, da sie euch spezielle Boni verleiht. Besonders gefällt mir dabei die Darstellung des Outfits: Menschen aus dem viktorianischen Zeitalter hätten wohl genau das auch getragen.

Kleider geben euch neben dem Rüstungswert noch anderweitig Schutz: Beispielsweise werdet ihr in der Kleidung einer konkurrierenden Fraktion – schließlich wollen noch andere das Heilmittel für sich beanspruchen – nicht so leicht entdeckt und könnt so durch die Gegend schleichen. Praktisch und gleichzeitig ein weiterer Ansatzpunkt, um Missionen zu erledigen.

Nicht lange um den heißen Brei

Apropos Missionen: Neben der Hauptgeschichte werdet ihr genre-typisch auch immer wieder auf Nebenquests geschickt. Und auch hier zeigt sich wieder eine nette, aber nicht negativ auffallende Sparsamkeit der Entwickler.

Denn rund 40 Stunden könnt ihr so in „GreedFall“ verbringen, was ich als einen ordentlichen Umfang empfinde. Wo andere Spiele künstlich das Geschehen in die Länge ziehen, zieht „GreedFall“ einen Strich. Als Familienvater weiß ich das sehr zu schätzen.

Ganz zum Schluss gehe ich noch kurz auf euer Verhalten und dessen Auswirkung auf eure Umwelt ein: Je nachdem, wie ihr mit eurem Gegenüber agiert, werden euch Zuneigung oder Abneigung einiger Teammitglieder gewiss sein. Ich könnt – und da sind wir schon wieder bei „Dragon Age“ oder „Witcher“ – Liebschaften mit einigen eurer Partner eingehen, sofern die Chemie, sprich die Grundhaltung, gegenseitig passt.

Genauso könnt ihr es euch aber auch mit Teammitgliedern verscherzen und sie als Feinde wieder treffen. Dieses System lässt euch die Folgen euerer Taten direkt spüren und verrät zudem mehr über eure Mitstreiter.

Fazit

„GreedFall“ war für mich eine richtig große Überraschung: Das charmante Setting, die klassische Herangehensweise an die Charakterentwicklung und die taktischen Möglichkeiten in Sachen Vorgehensweise oder auch im Kampf, machen „GreedFall“ trotz einiger technischer Macken zu einem Juwel.

Es ist wie ein Best-of verschiedener Spiele – von „Dragon Age“ über „Assassin’s Creed“ bis hin zu „The Witcher“. Aus diesem Grund kann ich jedem Genre-Fan dieses Rollenspiel wärmstens empfehlen.

Erhältlich für: Xbox One, PS4, PC
Web: greedfall.com