Unterhaltung Games

Shenmue 1&2

Ein beispielhaftes Werk: Wenn der Staub der Jahre den Glanz der alten Tage förmlich erdrückt.

Sagt euch „Shenmue“ etwas? Wenn nicht, dann nanntet ihr wohl auch kein Sega Dreamcast vor rund zwanzig Jahren euer Eigen – so war es jedenfalls bei mir der Fall. „Shenmue“ wurde von Sega auf den Markt gebracht und sollte damals ein Meilenstein der Videospielgeschichte werden. Nur ging dieser Plan leider nicht so recht auf, was wohl an ein paar Gründen festzumachen ist.

Zum einen verkaufte sich die Dreamcast nicht so gut, wie geplant, zum anderen wollte „Shenmue“ einfach zu viel. Nun, zwanzig Jahre später, könnt ihr das Spiel in einer Remaster-Version nachholen und selbst anschauen, was damals hakte. Vorsicht Spoiler-Alarm: Auch heutzutage geht die Rechnung von „Shenmue“ nicht ganz auf.

Ein Film der Superlative

Stellt euch folgenden Trailer für einen Film vor: Ein Monster verwüstet eine Stadt mit allen Special-Effects, die ihr euch vorstellen könnt /Schnitt/ zwei Liebende bekunden ihre Gefühle zueinander /Schnitt/ Ein Mädchen macht sich auf die Suche nach ihrem Pony, das von ihren Eltern verkauft wurde /Schnitt/ Tom Cruise bricht gemeinsam mit den animierten Chipmunks in eine Clownfabrik ein, um dort rote Nasen zu stehlen /Schnitt/ Im Abschluss wird das Werk als größte Action-Animations-Erotik-Drama-Komödie der Welt angepriesen.

Würdet ihr euch das anschauen? Was hat das alles mit „Shenmue“ zu tun? Alles und gar nichts. Also hole ich mal etwas mehr aus: „Shenmue“ möchte in keine Schublade gepackt werden – was die größte Stärke des Spiels werden sollte: Sega wollte mit einem wilden Genre-Mix alle Arten von Spielern ansprechen.

Daher findet ihr in „Shenmue“ sowohl Adventure-Elemente, wie Prügelspiel-Passagen, Lebenssimulationsabschnitte oder auch witzige Minispielchen. Von jedem etwas eben. Aber in der Summe wirkt dieses Genre-Flickwerk wie eine wirre Aneinanderreihung von netten Ideen, die aber nicht aus einem Guss zu stammen scheinen.

Eiskalt und sehr klassisch serviert

Die Story dreht sich um Ryo Hazuki, der im Japan der 1980er-Jahre lebt. Als er nach langer Abstinenz wieder in seinen Heimatort Yokosuka zurückkehrt, muss er eine schreckliche Tat miterleben: Sein Vater wird im Dojo von einem Drachenkrieger umgebracht.

Der Rest ist eine klare Angelegenheit: Ryo schwört Rache und will den mysteriösen Kämpfer auf eigene Faust zur Strecke bringen. Anfangs rennt ihr dazu leicht orientierungslos durch euer Anwesen, um dort mit den verschiedenen Angestellten zu plaudern. Dadurch sollt ihr wertvolle Infos sammeln, die euch den Schurken und dessen Beweggründe etwas genauer beschreiben.

Wirklich spannend ist das allerdings nicht: Zum einen wirkt die Grafik arg angestaubt – was ich noch verzeihen kann. Aber die Vertonung ist ein Graus: Scheinbar wurden die englischen Original-Tonspuren verwendet, die bereits vor zwanzig Jahren wie aus einer Tonne klangen. Das Ganze hört sich so absurd an, dass ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll.

Das Gold von früher ist das Holz

von heute Aber auch die Animationen haben bessere Tage gesehen. Genervt war ich von den ständigen Ladezeiten, die dann auftauchen, wenn ihr einen neuen Raum oder ein neues Areal betretet: Immer wieder werdet ihr zum Warten gezwungen.

Ein persönlicher Höhepunkt war zu Beginn die Animation, wenn Ryo die Treppe in seinem Haus hoch oder runtergeht: Es handelt sich dabei lediglich um zwei Stufen – und dennoch schwenkt die Kamera so episch durch den Raum, dass man meinen könnte, Ryo habe gerade den Ring von Sauron vernichtet. Es ist schwer zu beschreiben, aber es fühlt sich dermaßen übertrieben an, dass ich extra ein paar Mal die Treppen hoch und runtergegangen bin.

Die Kamera ist aber generell nicht euer Freund: Spätestens wenn ihr euch mit anderen prügelt, wird es manchmal unmöglich euren Gegner zu treffen, weil ihr die Distanz schlicht nicht einschätzen könnt. Auch die Steuerung fühlt sich ziemlich schwammig an, was damals vielleicht Alltag war, heute aber hätte verbessert werden können.

Bei den Minispielchen funktioniert das System zumindest ganz gut. Dennoch machen die Arcade-Automaten in der Spielhölle nur für eine kurze Zeit Spaß – danach geht die Suche nach dem Killer weiter.

Fazit

Machen wir es kurz: „Shenmue 1&2“ zeigt schmerzhaft, dass das Konzept hoffnungslos von der Zeit überholt wurde. Das soll aber nun nicht heißen, dass ihr das Spiel nicht beachten solltet – ganz im Gegenteil! „Shenmue“ beinhaltet so viele Ideen, die ihr heutzutage fast schon als normal erachtet. Auch wenn das Spiel kein Überflieger seiner Zeit war, brachte es jede Menge frische Impulse für die gesamte Branche.

Ich denke da im Speziellen an die „Yakuza“-Reihe aber auch an den wilden Genre-Mix im Allgemeinen, der sich in der heutigen Zeit fast überall findet. Sega hat hoch gepokert und leider verloren. Aber das Erbe lebt noch. Daher drückt ein Auge zu, atmet tief ein und schaut euch „Shenmue 1&2“ mal genauer an – vielleicht unterhält es euch mehr als ihr zugeben wollt.

Erhältlich für: Xbox One, PS4, PC
Website: shenmue.sega.com